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Bauwelt 11 / 14.3.2003, Seite 6 Architektur und Krieg Cordula Vielhauer / Jörg Boettger Häusergruppen in einer wüstenlandschaft, unbewohnt und ohne Bezug zur umgebenden Landschaft, Militärfahrzeuge stehen im Vordergrund, Menschen sind keine in Sicht. Der Betrachter dieser geisterhaften Szenerie hat ein Heft der neuen Ausgabe der Zeitschrift "An Architektur" vor sich, die am 28. Februar erschienen ist. Eine skurrile Randerscheinung des zweiten WeItkrieges, das German-Japanese Village, ist das Thema des Heftes. Die detailgenau nachgebauten Wohngebäude wurden 1943 auf einem Armeegelände in Utah errichtet und dienten zur Erprobung von Brandbomben, die bei den Luftangriffen der Alliierten auf Deutschland und Japan verwendet wurden. Die Architekten Erich Mendelsohn und Konrad Wachsmann waren als Berater an der Planung des German Village beteiligt nachdem beide 1933 das nationaisoziaI istische Deutschland wegen ihrer jüdischen Abstammung verlassen hatten. Dieser blinde Fleck in der Gesch ichtsschreibung der deutschen architektonischen Moderne in den USA bildet ein Thema in der nunmehr zweiten Ausgabe von An Architektur "Krieg und die Produktion von Raum". Die halbjährlich erscheinende Zeitschrift wird von einer Gruppe von Architekten und Künstlern herausgegeben, die sich unter dem Namen "Freies Fach" seit Mitte der 90er Jahre "reflexiv und aktivistisch mit politischen und ökonomischen Hintergründen städtischer Räume auseinandersetzen". Die neue Ausgabe umfasst sechs Hefte, die aus unterschiedlichen Perspektiven der Frage nach Produktion und Gebrauch gebauter Umwelt unter dem Einfluss kriegerischer Konflikte nachgehen. In Heft 6 kommt Eyal Weizman in einem Interview zu Wort. Mit seinem Kollegen Rafi Segal erarbeitete der israelische Architekt geografische Karten und Analysen zu politischen Hintergründen des israelischen Siedlungsbaus in der Westbank. Sie notieren einen durch Infrastruktur- und Siedlungsmaßnahmen bestimmten Prozess zunehmender räumlicher Fragmentierung, dessen planerisch erzeugte Komplexität es unmöglich macht, klare Grenzen für eine friedliche Zweistaatenlösung zu ziehen. Neben Fragen nach Strategie und Methode der Besetzung werden hier auch solche nach der Verantwortung der Architekten als Beteiligten an einem von militärischer Logik bestimmten Planungsprozess gestellt. Um die Kontrolle von Raum mittels "ziviler" Architektur geht es auch in Heft 8 bei dem vordergründig als "Siedlung für demobilisierte Guerilla-Kämpferlnnen" angelegten Danscha. Äthiopien gilt in geopolitischer Hinsicht und aufgrund des weit verbreiteten christlichen Glaubens als Verbündeter. Die Nähe zum Nahen Osten beschert dem Land Finanzmittel von Weltbank, OECD und Europäischer Union, die teilweise ohne Rücksicht auf die politischen Verhältnisse oder Ziele gewährt werden. So wurde das Programm für die ehemaligen Tigrinischen Befreiungskämpfer, die nach fast 30 Jahren Bürgerkrieg (1975-91) beheimatet werden sollten, zu großen Teilen mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert. Städtebau und Gebäudetypologie der Siedlung offenbaren jedoch eine Kasernenanlage an strategisch günstiger Stelle: der Grenze zum Sudan und Eritrea. Heft 4 befasst sich am Beispiel Guantanamo Bay auf Kuba mit "rechtsfreien Räumen". Auf der dortigen US-Militärbasis sind die im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 des Terrorismus' Angeklagten interniert. Neben der historischen Bedeutung als strategischer Stützpunkt der USA in der Karibik und als Schauplatz einer symbolischen Konfrontation mit Kuba während des Kalten Krieges behandeln die Autoren vor allem die spezifische Rolle im Rechtssystem als "ein Territorium, das der Rechtsprechung der USA unterliegt, in dem aber keine verfassungsmäßigen Rechte gelten" (Peter Marcuse 2002). Die derzeitige weltpolitische Situation und der "War on Terrorism" lässt eine Fortschreibung des Themas "Krieg und die Produktion von Raum" auch in naher Zukunft befürchten und gibt der neuen Ausgabe von An Architektur eine beklemmende Aktualität. |